Podiumsdiskussion: Wissenschaft im Stresstest

Medizin als Handlungswissenschaft im Spannungsfeld von Politik und Evidenz

Bericht von der Podiumsdiskussion am 2. April 2025 in Berlin

Die folgenden Experten haben gemeinsam ihre Erkenntnisse reflektieren und Perspektiven für die Zukunft mit den Teilnehmenden diskutiert:

  • Prof. Dr. mult. Alexander S. Kekulé (bis 2024 Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie in Halle und ehemaliger Berater der Bundesregierung im Bereich Seuchenprävention)
  • Prof. Dr. Harald Matthes (Ärztlicher Leiter /Geschäftsführer Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe gGmbH; Inst. f. Sozialmedizin, Epidemiologie, Gesundheitsökonomie der Charité-Universitätsmedizin Berlin)
  • Dr. med. Michael Mörz (Facharzt für Pathologie, Dresden)
  • Prof. Dr. Andreas Radbruch (bis 2023 Leiter des Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin (DRFZ) und bis zu seiner Emeritierung 2021 Professur für Experimentelle Rheumatologie an der Charité-Universitätsmedizin Berlin)
  • Prof. Dr. Thomas Voshaar (Vorstandsvorsitzender des Verbandes Pneumologischer Lungenkliniken e.V., bis 2023 Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Med. Klinik III Pneumologie, Allergologie, Klin. Immunologie, Zentrum für Schlaf-und Beatmungsmedizin, Krankenhaus Bethanien, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Duisburg-Essen in Moers und Mitglied des Corona-Beraterstab des Gesundheitsministers J. Spahn)

Moderation: Christiane Cichy (Fernsehautorin)

„Die Corona-Pandemie hat unsere Gesellschaft geprägt, Leben gekostet, Existenzen zerstört und unsere Grundrechte massiv eingeschränkt!“, so die einleitenden Worte der Moderatorin Christiane Cichy, Autorin und Moderatorin im öffentlich – rechtlichen Rundfunk.

Ärztinnen und Ärzte verschiedener Fachrichtungen standen im Zentrum der wissenschaftlichen und öffentlichen Debatte – oft mit unterschiedlichen Einschätzungen. Es gab „Fehlinformationen“, die von Politik, Behörden und teilweise auch von Wissenschaftlern als „evidenzbasiert“ oder als „unumstößliche Wahrheit“ in der Öffentlichkeit und den Medien dargestellt wurden und die Grundlage für teilweise gravierende Maßnahmen waren. Das Problem dabei: Viele dieser Aussagen gelten heute als widerlegt – dennoch fehlen offizielle Korrekturen oder eine transparente Aufarbeitung. Ziel der Podiumsdiskussion war es, das Thema aus ärztlicher und wissenschaftlicher Sicht zu beleuchten und neue Denkanstöße zu geben.

Zu Beginn schilderten einige Teilnehmer der Runde, dass die ersten Monate der Pandemie von großer Unsicherheit geprägt waren – nicht nur in der Politik und in der Öffentlichkeit, sondern auch unter medizinischen Fachleuten. Die begrenzte Datenlage zum Virus, zu dessen Ausbreitung und zu möglichen Therapien warf mehr Fragen auf, als sie Antworten lieferte. Hilfreich wäre ein offener Informationsaustausch gewesen: auf Expertenebene, interdisziplinär und interprofessionell. Doch dieser fand und findet bis heute, auch zur Aufarbeitung der Pandemie, nicht statt. 

Stattdessen war zu beobachten, dass einzelne Experten – deren Auswahl willkürlich und von oben gesteuert wirkte – die politischen Entscheidungsträger berieten und sich in der Öffentlichkeit mit vermeintlicher wissenschaftlicher Gewissheit äußerten. Dadurch vermittelten sie ein Bild unumstößlicher Sicherheit. Interessanterweise wurden genau diese sogenannten Fakten in der wissenschaftlichen reviewten Zeitschriften überwiegend im Konjunktiv und mit zahlreichen Vorbehalten dargestellt. So entstand in der Öffentlichkeit der irreführende Eindruck einer klaren Faktenlage, während in wissenschaftlichen Kreisen noch erhebliche Unsicherheit herrschte.

Frau Cichy erinnerte mit drei Beispielen eindrucksvoll daran, wie völlig falsch einige Aussagen waren:

  • Prof. Melanie Brinkmann, Virologin, Talkrunde bei Markus Lanz im November 2021 zu der Übertragung von mRNA-Impfstoffen über die Muttermilch: „Das ist biologisch nicht möglich!“
  • Prof. Alena Buyx, damals Vorsitzende des Ethikrates zu den Langzeitwirkungen von mRNA-Impfstoffen:“ Das ist ein elegantes Verfahren, die kann man nach zwei Wochen nicht mehr nachweisen!“
  • Das die Herkunft des Virus aus einem Labor in China möglich ist, wird nun seit einigen Wochen (wieder) öffentlich diskutiert. Äußerungen von Experten zu Beginn der Pandemie in diese Richtungen führten zu massiven persönlichen Angriffen und zum Ausschluss aus der beratenden Öffentlichkeit.

Von Angriffen und Einschränkungen bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit waren die Teilnehmer der Diskussionsrunde unterschiedlich stark betroffen. Sie konnten in eindrücklicher Weise Beispiele schildern, welche Desinformationen einer Angst getriggerten Öffentlichkeit präsentiert wurden:

  • Die Atemwege dienen als Eintrittspforte für das SARS-CoV-2-Virus. Schwere Krankheitsverläufe treten auf, wenn das Virus über die Bindung an ACE-Rezeptoren in das Lungengewebe gelangt und eine systemische Immunreaktion ausgelöst wird. Ein Rachenabstrich erlaubt daher keine verlässliche Einschätzung der Infektiosität. Besonders bei Kindern ist die Aerosolbildung deutlich geringer als bei Erwachsenen, weshalb sie nur in begrenztem Maß zur Weiterverbreitung von Infektionen beitragen. Dennoch wurden Kinder – entgegen epidemiologischen Erkenntnissen zur Infektiosität und Krankheitslast – als potenzielle Gefährder eingestuft, was zur Schließung von Schulen und zur Verhängung von Kontaktverboten führte.
  • Der Impfstoff führt zur Bildung von IgG-Antikörper, die systemisch wirken und eine schwere Erkrankung verhindern können – sie sind jedoch auf den Schleimhäuten, also an den Eintrittspforten des Virus, kaum wirksam. Dort wirken spezielle IgA-Antikörper, die direkt vor Ort das Virus neutralisieren. Dies wäre aber nur durch eine Impfung über Aerosol erreicht worden (Zur Impfflicht siehe unten).
  • Eine Herdenimmunität bei Atemwegsinfektionen generell durch eine solche Impfung zu erreichen, ist epidemiologisch nicht möglich, sicher auch nicht beim Sars-CoV-2-Virus.
  • 20% der Verstorbenen mit/an einer SarsCoV-2- Infektion hatten Auto-Antikörper gegen Interferon, besaßen also kein funktionierendes Alarmsystem. Eine gezielte Identifizierung von Gruppen mit ähnlichen Immundefiziten, die möglicherweise von der Impfung profitiert hätten, wurde nicht unternommen, obwohl die Zulassung des Impfstoffes auf die Attenuierung des Krankheitsverlaufes gerade bei solchen Bevölkerungsgruppen ausgerichtet war. Eine Impfempfehlung für breite Bevölkerungsgruppe war aus den Zulassungsstudien nicht ableitbar. Eine Impfpflicht zur Infektionsübertragung bei nicht vorhandenen Immunschutz durch IgA in den Schleimhäuten war nie wissenschaftlich und rational begründbar.
  • Insgesamt wurden viele Gelder von der Bundesregierung für Impfstoffe, Masken und Impfkampagnen bereitgestellt, aber nicht für Obduktionen. Diese waren, wegen der Gefährlichkeit der Erkrankung, sogar phasenweise untersagt worden. Angehörige setzten sich über die behandelnden Ärzte hinweg und finanzierten die Obduktionen selbst. Insgesamt war und ist die Anzahl der Obduktionen mit 4% so gering, dass eine wissenschaftliche Auswertung zu den Todesfällen nicht möglich ist.
  • Die physikalischen Eigenschaften der mit dem Virus abgeatmeten Aerosole, die definieren, wie intensiv Übertragung stattfindet, konnten nur durch private Geldgeber erarbeitet werden. Die Bundesregierung vergab keine Gelder an diese Forschungsarbeit.
  • Das Paul-Ehrlich-Institut bekam bis März 2023 56.432 Meldungen zu Serious Advers Events (SAE). diese Daten sind bis heute nicht ausgewertet oder gar bewertet. Erfahrungsgemäß muss man von einem erheblichen Underreporting ausgehen.
  • Dabei hat sich, wie die ImpfSurv-Studie aus der Arbeitsgruppe von Prof. Matthes zeigte, auch im internationalen Vergleich ein Auftreten von SAE´s von 0,4-0,6 % bestätigt. Letztendlich ist das auch den Zulassungsdaten von BioNTech selbst zu entnehmen – deren Veröffentlichung allerdings erst von Peter Doshi [1] eingeklagt werden musste.

An diesem Punkt der Diskussion wurde die Liste der erlebten Widersprüche beendet, auch wenn in der kleinen Runde bereits ein Diskurs zu einzelnen Details stattfand.

Mit Verweis auf den Ausgangspunkt der Moderation wurde festgestellt, dass die öffentliche Debatte in der Zeit der Corona-Pandemie durch politische Einflussnahme (mit wirtschaftlichem Hintergrund) geprägt war. Es hat sich gezeigt, dass Wissenschaftler, wie auch wissenschaftliche Institutionen sich finanziellen Mittelvergaben durch das BMG andienten. Die politische Aufsicht hat in die Bundesbehörden von Robert-Koch-Instituts (RKI) und Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) stark in die Entscheidungen und Bewertungen eingegriffen und sich über wissenschaftliche Daten und Fakten hinweggesetzt. Kritische Stimmen, die eine differenzierte Betrachtung forderten, wurden ignoriert und aus dem öffentlichen Diskurs entfernt. 

Aus dem Publikum der Diskussionsrunde in Berlin sowie aus dem gut frequentierten Chat der online-Übertragung wurden deutlich Stimmen laut, die die Verantwortlichen der damaligen Zeit zur Rechenschaft ziehen wollen. Hier sind die Verletzungen sehr tief, wie viele Beiträge zeigten. 5 Jahre scheinen für die Politik lang genug zu sein, um Fehlentscheidungen vergessen zu können. Aber viele Betroffene können und wollen Fehlentscheidungen in der Pandemie nicht vergessen bzw. vergeben.

Umso wichtiger scheint eine politische Aufarbeitung der Pandemie, die von der Politik zurzeit noch verweigert wird. 

Welchen Beitrag kann daher die Ärzteschaft heute leisten?

Medizin ist eine Handlungswissenschaft, eine empirische Wissenschaft, sie lebt von Erfahrung und Beobachtung und vom wissenschaftlichen Diskurs. Alle Bewertungen hätten von Beginn der Corona-Pandemie an mit größter Sorgfalt und Zurückhaltung getroffen werden müssen und regelmäßig auf den Prüfstand gehört. Heute gibt es eine 6-stellige Anzahl von Publikationen zu SarsCoV-2 mit verschiedensten Schwerpunkten. Welche Kollegin, welcher Kollege ist in der Lage, diese Daten kritisch auszuwerten? Hier ist womöglich die KI und die unabhängige Unterstützung von Experten-Instituten nötig, um eine Aufarbeitung einzuleiten und zukünftig zu begründeten Handlungsempfehlungen zu kommen. Diesen Weg zu beschreiten, war und ist die Politik derzeit nicht bereit. Leider neigt die Ärzteschaft zum politischen Konformismus und es fehlt an Zivilcourage, an Mut zu einem konstruktiven Dialog kontroverser Ansichten. Unbeantwortet bleibt die Frage im Raum stehen, wie sich die Entscheidungsträger in der Politik verhalten hätten, wenn angesichts der offensichtlichen Fehlentscheidungen mehr Widerstand aus der Ärzteschaft geregt hätte. 

Am Ende kommt Hölderin zu Wort: Wir, so gut das gelang, haben das Unsre getan. Aber können wir morgen mehr tun?

Können wir als Ärzteschaft in Zukunft mehr Verantwortung übernehmen, indem wir kritischer sind und auch kontroverser agieren, uns gegen den politischen Druck wenden auf der Basis einer wissenschaftlichen und freien Diskussion?
 


[1] Associate Professor für Pharmaceutical Health Services Research (Universität von Maryland, School of Pharmacy) und Senior Editor beim British Medical Journal (BMJ), einem der renommiertesten Medizinjournale weltweit